Yoga

„Yoga gehört der ganzen Welt“

Der bekannte spirituelle Lehrer, humanitäre Botschafter und Gründer von The Art of Living, Gurudev Sri Sri Ravi Shankar, wird am 21. Juni 2015 zusammen mit Tausenden begeisterter Yogafans im New Yorker Lincoln Center den ersten Internationalen Tag des Yoga feiern. Als prominenter Fürsprecher in Sachen Yoga hat er diese alte indische Philosophie innerhalb der letzten 34 Jahre in 152 Länder der Erde getragen. Auch die Vereinten Nationen haben Sri Sri eingeladen, am Internationalen Tag des Yoga zu hochrangigen Vertretern aus der ganzen Welt zu sprechen. Bei diesem Tête-à-Tête wird der spirituelle Lehrer auf das tiefgehende und grenzenlose Potenzial des Yoga eingehen und dessen Vorzüge hervorheben.

Im Folgenden lesen Sie ein Interview mit Sri Sri Ravi Shankar.

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Beim Yoga gibt es so viele Meinungen dazu, wie es Menschen gibt. Manche sagen, Yoga seien Asanas, wieder andere glauben, es sei ein spiritueller Weg. Eine weitere Gruppe hebt den Nutzen hervor, den Yoga für die Gesundheit hat. Was also ist Yoga in Ihren Augen?

Bei Yoga handelt es sich nicht nur um körperliche Übungen oder Asanas. Yoga ist eine Wissenschaft. Es vereint Körper, Geist und Seele sowie das Universum miteinander. Yoga führt zu tiefem Frieden in jedem von uns. Regelmäßig Yoga zu machen, verändert auch Verhalten, Gedankenmuster und die eigene Einstellung. In diesem Sinne würde ich sagen, ist Yoga unerlässlich. Will man gesund, sensibel, vernünftig, stark und von Intuition getragen sein, muss man Yoga machen.

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Manchmal sprechen Menschen über ein mystisches Element, das Yoga enthält. Was genau meinen sie damit?

Versucht man, Mystik zu erklären, dann ist es keine Mystik mehr. Das muss man erleben. Etwas Mystisches ist das, was das Leben lebendig macht und Menschen mit Liebe und Energie erfüllt. Das hält viele Leben lang an.

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Ist Meditation ein Teil von Yoga?

 

Meditation ist definitiv ein Teil von Yoga. Yoga muss meditativ sein, sonst ist es einfach purer Sport.

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In der Bhagavad Gita sagte Lord Krishna: „Yogah Karmasu Kaushalam.“ Was bedeutet das?

Das heißt soviel, wie „Yoga ist talentiertes Handeln.“ Yoga und Talent sind Synonyme. Wenn Sie Talent haben, dann bedeutet das, dass Sie in irgendeinem Sinne den Prinzipien des Yoga folgen. Und wenn Sie Yoga, Pranayamas und Meditation machen und allen Yamas und Niyamas folgen, dann sind Ihre Handlungen definitiv von Talent geprägt.

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Was macht jemanden zum Yogi?

 

Das Talent ein Yogi zu sein, liegt darin, einen gelassenen Geist zu haben, voller Energie zu sein und Ihre Aufgaben zu erfüllen. All das geschieht nur mithilfe von Yoga. In der Regel ist es so, dass Ihnen bei der Arbeit Energie verloren geht. Und wenn dann endlich die Früchte der Arbeit geerntet werden könnten, dann sind Sie so erschöpft, dass Sie nicht dazu in der Lage sind, sie zu genießen. Yoga weckt also das Talent in Ihnen, Ihren Geist gelassen zu halten, Ihr Energielevel hoch und gleichzeitig Leistung zu erbringen.

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Wie schafft man es, sich bei allem, was man tut, nicht vom Ergebnis abhängig zu machen?

Verfügen Sie über viel Enthusiasmus und Energie, dann sind Sie im gegenwärtigen Augenblick. Sie nehmen die Dinge, wie sie kommen. Sie erwarten nichts. Es ist eher so, dass Ihr Handeln ein Ausdruck der Freude ist. Sie erwarten also nicht ein bestimmtes Ergebnis, aus dem Sie dann Freude ziehen können.

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Sie sagten, dass es beim Yoga nicht um die Körperübungen geht. Das widerspricht dem, was die Welt mit Yoga verbindet. Worum geht es also beim Yoga?

Asanas und Körperübungen gehören ohne jeden Zweifel zum Yoga. Man sollte Yoga jedoch nicht darauf reduzieren. Yoga beinhaltet eine ganzheitliche Entwicklung, einen ganzheitlichen Ausdruck des eigenen Lebens. Jedes Baby ist ein Yogi. Ein Baby lebt all die Qualitäten eines Yogi, das heißt die Körperübungen, das Atemmuster, die Fähigkeit und Schärfe der Wahrnehmung sowie die Fähigkeit, im Moment zu sein.

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Sie sagten, jedes Kind sei ein Yogi. Was ist es also, das wir verlieren, wenn wir erwachsen werden?

Wir verlieren unsere Natürlichkeit und intuitiven Fähigkeiten. Tiere und Kinder verfügen über mehr Intuition als Erwachsene. Das liegt daran, dass wir in unserem Geist die Dinge immer so kompliziert machen, wenn sie es in Wahrheit auch gar nicht sind. Unser Geist neigt dazu, sich am Negativen festzuhalten. Macht man Ihnen zehn Komplimente und beleidigt Sie einmal, was ist es dann, woran der Geist sich festhält? An der Beleidigung! Diese Neigung, sich am Negativen festzuhalten, hat ein Baby nicht. Irgendwie erwerben wir dieses Verhalten, wenn wir älter werden. Mithilfe von Yoga kommen wir zu unserer Natur zurück, die die positiven Aspekte des Lebens fokussiert. Egal, was wir tun, dieser Wesenszug ist überaus wichtig. Erscheint uns alles düster und schwer, dann ist es Yoga, das uns wieder mit Begeisterung, Energie und Intuition erfüllt.

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Yoga enthält auch einen Aspekt des Staunens. Was genau ist darunter zu verstehen?

Das Staunen ist eine Vorstufe zum Yoga. Die alten Weisen sagten: „Vismaya Yoga Bhumika.“ Das bedeutet soviel, wie „Staunen ist die Vorstufe zum Yoga.“ Wenn die Beobachtung Ihrer selbst und der Natur Sie in Erstaunen versetzt, dann wird etwas Mystisches zum Teil Ihres Lebens. Diese Verbindung zu etwas Ätherischem, etwas so Schönem, Konkreten und doch Abstrakten erwacht. Sind Sie nicht voller Staunen, dann sind Sie auch kein Yogi.

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Yoga scheint mehr ein Talent des Geistes zu sein. Wie steht es dann mit Hatha Yoga?

Beim Hatha Yoga geht es darum, die eigenen Grenzen auszudehnen. Wir haben alle unsere Grenzen und bewegen uns darin. Grenzen mindern unsere Fähigkeiten. Beim Hatha Yoga heißt es: „O. k. dehn Dich ein bisschen, erweitere Deine Grenzen Stück für Stück.“ Das stärkt unsere körperlichen Fähigkeiten ebenso wie unsere geistige und emotionale Stabilität. Ist der Körper stark, dann wird auch unser Geist stark. Unser Gefühlsempfinden wird feiner, und unser Geist erlebt ein Hochgefühl. Also ist Hatha Yoga in dem Sinne wichtig, da es unsere Grenzen erweitert.

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Reicht Meditation aus? Brauchen wir Asanas wirklich? Falls ja, warum?

Ist man alt, krank oder nicht an körperliche Übungen gewöhnt, dann muss man auch keine machen. Diese Personen können Atemübungen und Meditation praktizieren. Meditation ist die Substanz des Ganzen. Sie ist wie die Seele, alles andere ist das Dressing dazu. Man kann keinen Körper ohne Seele haben, ebenso wenig kann man eine Seele ohne Körper haben. Patanjali hat über die acht Glieder des Yoga gesprochen. Diese Glieder entwickeln sich gleichzeitig, nicht nacheinander. Im Mutterleib entwickelt ein Baby nicht erst die Beine, dann die Arme oder den Kopf. Alle Glieder entwickeln sich gleichzeitig. Dementsprechend gehören auch die acht Glieder des Yoga zusammen.

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Wessen bedarf es, um Yoga von dem dogmatischen Gepäck zu befreien, das manche Menschen ihm aufbürden?

Dogmatik ist nicht zu vermeiden. Es gibt sie in der Wissenschaft, sozialen Strukturen, der Politik und verschiedenen anderen Bereichen des Lebens. Alles, was man tun kann, ist, Menschen auf die Dogmatik aufmerksam zu machen. Sie geht von selbst, wenn man sich ihrer bewusst ist. Deshalb sage ich immer, dass eine gewaltfreie Gesellschaft, ein gesunder Körper, ein entspannter Geist, ein Verstand, der frei ist von Hemmungen, Erinnerungen frei von Traumata und eine Seele, die keinen Kummer kennt, eine Idealsituation für das menschliche Leben und die Evolution darstellen. Bildung sollte Menschen zu einem Punkt führen, an dem sie auf Dogmas und Vorurteile verzichten können. Oder wenn sie Yogis werden, sehen sie das Leben und die Welt von einem völlig anderen Blickwinkel. Dann ändert sich die gesamte Sicht auf das Leben und das Universum.

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Es scheint hier und da Ängste zu geben, dass yogische Praktiken Menschen von Religion und Glauben abbringen. Ist Yoga gegen Religion?

Richtet sich Technologie gegen Religion? Yoga ist eine Technologie, eine Technik, die Sie dazu in die Lage versetzt, aktiver, glücklicher und mitfühlender zu sein. Welche Religion sagt, dass man nicht mitfühlend sein soll? Welche Religion sagt, man solle nicht glücklich sein? Welche Religion sagt, man solle nicht freundlich sein und kein liebendes Verhalten an den Tag legen? Yoga ist eine Technologie, die hilft Stress, Wut, Gier und andere negative Gefühle abzubauen. Wie kann jemand glauben, dass das antireligiös oder gegen den Glauben gerichtet ist? Wenn Menschen so denken, dann sind sie ignorant, denn Yoga gibt einem die Freiheit zu denken. Ist die Freiheit zu denken gegen Religion? Soll Religion nicht frei machen? Befürwortet eine Religion nicht die Freiheit des Denkens und des Geistes, dann tut sie Unrecht an der Menschheit und an ihren eigenen Anhängern. Das Ziel eines jeden Glaubens ist es, Frieden, Liebe, Freiheit und ein Zugehörigkeitsgefühl mit allem und jedem auf dem ganzen Planeten zu schaffen. Und Yoga ist die Technologie, diese Ziele des Glaubens zu erreichen. Obwohl Yoga in der alten vedischen Hindukultur aufkam, ist es nicht auf bestimmte Ideologien und Theorien begrenzt. Yoga öffnet seine Pforten jedem mit dem Ziel eines besseren Lebens.

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Kann Yoga dabei helfen, diplomatische Beziehungen für Indien aufzubauen?

Yoga gehört der ganzen Menschheit, obwohl es ursprünglich aus Indien stammt. Man kann Wissen nicht auf die Geographie reduzieren. Begrenzt man Wissen geographisch, dann kann es per se schon nicht mehr universell sein. Es verliert seine Größe und Würde. Ich würde sagen, Yoga gehört allen Menschen auf der Erde. Da Yoga jedoch seine Geburtsstunde in Indien erlebte, sollte das Land definitiv stolz darauf und das damit verbundene Wissen sein. Gleichzeitig sollten Menschen überall auf der Welt es sich zu eigen machen. Der alte Gedanke dahinter lautet „Vasudaiva Kutumabakam“. Das bedeutet: „Die ganze Welt ist eine Familie.“ Wenn wir also die ganze Welt als eine Familie betrachten, dann gehört alles, was einem Einzelnen gehört, auch immer schon allen. Also gehört Yoga dem ganzen Planeten, wenn es auch ein integraler Bestandteil indischer Kultur, Tradition und Geschichte ist.

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Was ist der Unterschied zwischen einem Yogi und einem Yogalehrer? Kann ein Yogi auch ein Yogalehrer sein?

Sind Sie kein Yogi, dann können Sie auch kein Yogalehrer sein. Ein Yogi ist niemand, der lange Haare und einen Bart haben muss oder sich irgendwie seltsam verhält. Ein Yogi ist jemand, der talentiert agiert, ruhig und gelassen ist, der glücklich, zufrieden, eben wie ein Kind ist. Jedes Baby ist ein Yogi, und jeder Yogi ist ein Baby. Andernfalls ist er oder sie kein Yogi. Das heißt jedoch nicht, dass man kindisch ist oder nicht erwachsen wird. Es bedeutet, frisch und unverbraucht wie ein Kind zu sein. Es bedeutet Einfachheit, Aufrichtigkeit und einen Geist frei von Furcht, Hemmungen oder Arroganz. Ein Yogi ist jemand, dessen Bewusstsein weiter entwickelt ist. All das zeichnet einen Yogi aus.

 

Dieses Interview wurde auch unter dem Titel „Though born in India, Yoga belongs to the entire humanity says Sri Sri Ravi Shankar“ bei IBNLive.com veröffentlicht.


Regelmäßig Yoga zu machen, schult Körper und Geist und ist gut für die Gesundheit. Yoga ist jedoch kein Ersatz für Medizin. Es ist wichtig, Yogaübungen unter der Anleitung eines ausgebildeten Sri Sri Yoga Lehrers zu lernen. Bei Beschwerden oder Krankheit machen Sie Yoga gemäß dem Rat Ihres Arztes und eines Sri Sri Yoga Lehrers. Sri Sri Yoga Kurse können Sie in jedem Art of Living Zentrum in Ihrer Nähe besuchen. Benötigen Sie Kursinformationen oder wollen Sie Feedback geben? Schreiben Sie uns gerne an: kontakt@artofliving.org.

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